Alter Zeilharder Bahnhof
Nach einer – heute fast illusorischen – Planungsphase von rund zehn Jahren wurde im Mai 1871 die Bahnstrecke Darmstadt – Erbach in Betrieb genommen und damit auch die Haltestelle Zeilhard eröffnet. Die Bürger aus Zeilhard und Georgenhausen hatten über das „Bahnpäädsche“ einen Fußweg von zwei Kilometern hinter sich, wenn sie am Bahnhof ankamen. Aber sie hatten damit eine Verbindung in die große weite Welt nach Darmstadt, das sie bisher nur zu Fuß oder mit der Kutsche erreichen konnten. Die Spachbrücker nutzten eher den Bahnhof in Reinheim, später (1898) kam ein Haltepunkt Richtung Habitzheim dazu, mit dem die Spachbrücker bis 1965 Anschluss Richtung Dieburg und weiter nach Offenbach hatten.
Brückenbauwerke und der Engelberg-Tunnel stellten die Ingenieure vor besondere Herausforderungen. Steigungen von Reinheim bis zum Tunnel und von Zeilhard bis zur Anhöhe vor Ober-Ramstadt galt es zu überwinden. Zu überwinden waren 13 Meter Steigung auf 1000 Metern Gleisstrecke – und umgekehrt als Gefälle – auch für die Lokomotiventechnik nicht einfach! Geschwindigkeiten bis zu 30 km/h im Tunnel und 70 km/h auf freier Strecke ließen eine Fahrzeit von 9 bis 15 Minuten zwischen Reinheim und Ober-Ramstadt zu, je nach Größe (und Gewicht) des Zuges. Der Aufenthalt im Bahnhof Zeilhard kam zeitlich noch hinzu.
Der Bahnhof war nicht nur für Pendler zur Arbeit nach Ober-Ramstadt und Darmstadt wichtig, auch landwirtschaftliche Erzeugnisse, zuletzt bis 1984 Zuckerrüben, wurden dort verladen. Briefe und Pakete fanden über die Bahnpost in den Zügen der „Hessische Ludwigsbahn“ genannten Verbindung ihren Bestimmungsort. 1881 war das Stationsgebäude „mit Abtritt und Stall“ fertiggestellt worden. Bahnwärterhäuschen sicherten die meist beschrankten Bahnübergänge. Das waren aber keine stark befahrenen Straßen wie heute, sondern lediglich Feldwege, auf denen die Bauern der umliegenden Ortschaften, auch vom Hofgut Illbach im Wembachtal, ihre Güter zur Bahn brachten.
Der Bahnhofstandort in Zeilhard wurde so gut angenommen, dass um 1890 sogar die Bahnsteige verlängert werden mussten und Nebengleise geschaffen wurden, damit die Verladung von Getreide und Rüben leichter zu organisieren war, ohne den Regelbetrieb der Bahn zu stören. 1910 wurde ein Ausweichgleis gebaut und eine zeitgemäße Stellwerks- und Signaltechnik eingeführt, um eine engere Taktung des Zugverkehrs in beide Richtungen zu gewährleisten. In den 50er Jahren gab es bis zu 20 Zughalte am Tag in Zeilhard-Dilshofen. Die unterversorgte Stadtbevölkerung aus Darmstadt nutzte nach dem Krieg diesen Halt, um sich bei „Hamsterfahrten“ bei den Landwirten an der Strecke mit Lebensmitteln einzudecken, die es in der Stadt – wenn überhaupt – nur auf Bezugsschein gab.
Die Blütezeit des Landbahnhofes zwischen 1910 und 1960 ging gegen 1957 zu Ende, als der Buslinienverkehr, die „Blaue Linie“, auch Georgenhausen und Zeilhard anbindet. Nach 1960 werden nach und nach die Fahrkartenausgabe und die Güterverladung eingestellt. Das Bahnhofsgebäude wird im Mai 1975 abgerissen, nach 1979 hält kein Zug mehr für Passagiere an, 1984 werden zum letzten Male Zuckerrüben verladen. Bis 1992 werden Ladegleis und Weichen demontiert.
Zwischen 2005 und 2007 verlegt die neue Odenwaldbahn, heute „VIAS“, neue Gleise und neue Signaltechnik. Nach der Dampfeisenbahn und den Diesel-Bahnbussen verkehren nun moderne ITINO Triebwagen. In Zeilhard hält keiner mehr!