Spachbrücker Historie

Zusammenfassung der Spachbrücker Geschichte, erzählt von Karl Georg Fritsch in der Festschrift zur 675-Jahr-Feier 1998

Am 17. Mai 1998 feiert Spachbrücken Geburtstag. 675 Jahre ist unser Dorf alt !?! Nein, Spachbrücken ist wesentlich älter, das beweisen Bodenfunde. Beim Bau der Eisenbahn Offenbach – Reinheim wurden hinter dem Mühlberg Gräber der Urnenfelder-Bronzezeit festgestellt. Beim Bau der Erdgas-Fernleitung wurde eine Keltensiedlung auf dem Kühkopf entdeckt. Dass zwei römische Gutshöfe nachgewiesen werden können, ist bekannt, der eine im Bruchborn, der andere auf der Steinmauer. Der Name Drachengrund als Gewannname weist auf römischen Ursprung hin, kann aber noch nicht bewiesen werden.

Der Historiker aber bestimmt das Alter eines Ortes nach der ersten schriftlichen Erwähnung. Diese erste – heute bekannte – urkundliche Erwähnung war am 17.Mai 1323. Abt Heinrich von Fulda stellt einen Lehnsbrief aus und übergibt Ulrich von Bickenbach unter anderen die Dörfer Zeilhard und Spachbrücken.

 

Spachbrücken im Mittelalter

Bevor ich die geschichtliche Entwicklung Spachbrückens darstelle, werde ich versuchen, einen Überblick über Leben, Arbeiten und Wohnen der Spachbrücker am Anfang des 14. Jahrhunderts zu geben. Heute sagt man, es war die Zeit des Hoch- bzw. des Spätmittelalters. Die Einwohnerzahlen aller Siedlungen waren in den letzten Jahrzehnten gewachsen. Eine wahre Bevölkerungsexplosion war zu verzeichnen. Im Gebiet des heutigen Deutschlands lebten etwa 20.000.000 Menschen. Die größte Stadt war Köln mit 25.000 – dann Lübeck mit 22.000 Einwohnern. Überall kam es zu neuen Orts- oder Stadtgründungen. Es gab damals mehr Siedlungen als heute, das ist nicht nur darauf zurückzuführen, dass Zusammenlegungen stattfanden, es sind auch verschiedene Siedlungen verlassen worden oder, vor allem im 30jährigen Krieg zerstört worden, die nicht mehr besiedelt wurden.

Allgemeiner Wohlstand breitete sich aus. Die Leibeigenschaft ging zurück zu Gunsten der etwas größeren Freiheit des Pächterstandes. Aber mehr Menschen brauchen auch mehr Nahrungsmittel. Nur durch große Rodungen, die die Klöster und Abteien – Lorsch und Fulda – nicht immer uneigennützig förderten, konnte Neuland gewonnen werden.

Ackerbau rückte in den Vordergrund, und eine Revolution in der Landbautechnik lösten diese Probleme. Das Pferd, das jahrhundertelang als Reittier oder als Streitross der Ritter gebraucht wurde, setzte sich mehr und mehr als Zugtier durch. Es war stärker, schneller und ausdauernder als das Rind. Dieses hingegen gesünder, genügsamer und außerdem noch Fleischlieferant. Als man von den Kreuzzügen noch das Kummet mitbrachte, das die Zugtiere nicht mehr so belastete wie Joch oder Sielengeschirr, war wieder ein Fortschritt zu verzeichnen. Der Beetpflug, der den Boden wendete, die Krume so besser durchmischte und Unkräuter dadurch erstickte, ersetzte den Hakenpflug, der den Boden nur unvollständig lockern konnte, Bei der Erntetechnik folgte die Sense der Sichel. Dies war eine Arbeitserleichterung. Man konnte im Stehen mähen. Der Dreschflegel setzte sich durch. Dreschschlitten oder auch Huftiere versahen vorher diese Arbeiten. Flurzwang und Dreifelderwirtschaft wurden eingeführt.

Obwohl nach wie vor die Schweine zur Eichelmast in den Wald getrieben und die Kühe und Rinder in das Reinheimer Bruch (heute ReinheimerTeich) geführt wurden, kam man mehr und mehr zur Stallhaltung. Dies hatte zur Folge, dass Stallmist anfiel, der als Dünger verwendet wurde. Vielfach wurde Waldlaub als Einstreu verwendet, da man das Stroh als Viehfutter und vor allem auch als Dachdeckmaterial gebrauchte. Alle Häuser waren strohgedeckt.

Von der Landwirtschaft nun zum Essen und Trinken. Was kam auf den Tisch? Jahrhundertelang bildete der Brei, der vor allem aus Hafer, Gerste oder Hirse zubereitet wurde, das Hauptnahrungsmittel der Landbevölkerung. Es gab auch schon Brot; dieses war aber, vor allem das aus Weizenmehl, mehr der geistlichen und adeligen Oberschicht vorbehalten. Um gutes Mehl zu erhalten, war man auf herrschaftliche Bannmühlen angewiesen.

Fleisch spielte Anfang des 14. Jahrhunderts keine so große Rolle mehr, da ja, wie oben erwähnt, der Ackerbau landwirtschaftlicher Schwerpunkt war. Wildlebende Tiere und Fische lieferten ebenfalls Fleisch. Aber die Jagd wurde mit der Ausbreitung der Feudalsysteme immer mehr zum adeligen Vorrecht. Gemüse und Obst wären noch zu erwähnen, sowie Waldbeeren.

Als Getränke dienten vor allem Wasser, Milch und Molke. Aber auch Wein und Bier wurden getrunken, letztere sicher von minderer Qualität. Klöster halfen bei der Einrichtung von Brauereibetrieben und bei der Anlage von Weinbergen. Dass in Spachbrücken Wein und Hopfen angebaut wurden, beweisen alte Flurnamen und Kirchenrechnungen.

Bei außergewöhnlicher Witterung wie Spätfrösten, Hagelschlag oder Trockenperioden, bei Tierseuchen oder Pflanzenkrankheiten konnten schnell Krisenzeiten entstehen, die die Essgewohnheiten völlig aus dem Gleichgewicht bringen konnten. Regionaler Mangel oder Hungersnöte konnten die Folge sein.

Was die Kleidung anbetrifft ist festzuhalten, dass die Unterschiede zwischen Adel, Geistlichkeit, Bürger- und Bauerntum deutlich waren. Von einer besonderen Bauerntracht in unserer Gegend kann nicht gesprochen werden. Männer- und Frauenkleidung waren ähnlich. Lange Kittelröcke trug man über Hosen aus groben Stoffen. Als wärmende Unterkleidung Hemden aus feineren Stoffen. Mit Fußlappen wurden die Füße umwickelt, darüber trug man selbstgefertigte Holzschuhe, später dann die bekannten Bundschuhe (das waren mit Bändern zusammengehaltene Rindlederstücke).

Um 1320 verstärkten sich die Unterschiede zwischen Männer- und Frauenkleidung. Frauenkleider wurden enger und figurbetonter. Männerkittelröcke immer kürzer, so dass die Hosen, die jetzt geknöpft statt geschnürt wurden, sichtbar waren. Der Klerus entrüstete sich über die neue Mode und geißelte sie als schamlos.

Das bisher Beschriebene beschäftigte die etwa 200 Spachbrücker. Was sie bestimmt weniger interessierte, waren die Ereignisse in der weiten Welt und in der großen Politik. Die alte Königsherrschaft löste sich als Kraft und Klammer langsam auf. Der dualistische Ständestaat entfaltete sich, relativ selbstständige Territorien wurden stärker. Kaiser und König Ludwig der Bayer regierte von München aus, aber weltliche und geistliche Fürsten machten ihm zu schaffen.

Auch mit Papst Johannes II geriet er aneinander. Dieser regierte von Avignon aus (die Päpste waren aus Rom geflohen). Gegenseitig setzten sie sich ab und erkannten einander nicht an. Ludwig der Bayer setzte einen Gegenpapst ein, woraufhin ihn der Papst Johannes II exkommunizieren ließ. So ging es weiter, hin und her.

Vom Dichterfürsten Dante Alighieri oder vom berühmten Maler Giotto werden die Spachbrücker wohl nichts erfahren haben – und wenn – es hätte sie kaum interessiert. Sie mussten weiterhin ihren Zehnten und ihre Abgaben entrichten, die jetzt mit dem Besitzwechsel nach Bickenbach kamen, aber deshalb bestimmt nicht geringer wurden.

Sie mussten weiterhin nach Dieburg zum Gottesdienst gehen. Was die Frauen anbetrifft, sie waren nicht gerade unterbewertet, schon gar nicht auf dem Land, wo man auf ihre Mitarbeit angewiesen war. Sie waren aber auch nicht voll geschäftsfähig. Sie wurden oft früh verheiratet, und ihre Lebenserwartung war im Gegensatz zu heute niedriger als die des Mannes. Am Kindbettfieber zu sterben, war häufige Todesursache. Üblicherweise heiratete der Mann kurze Zeit danach wieder.

So ging das Leben seinen gewohnten Gang. Fast 600 Jahre, von 766 – 1323, gehörte die Zehnt Umstadt (und damit auch Spachbrücken) zum Kloster Fulda, aber nur von 1323 – 1340 zu Bickenbach. Ulrich von Bickenbach, der 1340 kinderlos verstarb, gehörte nach den Katzenelnbogen zum einflussreichsten Geschlecht unserer Gegend. Nach 1340 gab es Reibereien um das Erbe. Die Schenken von Erbach, die Grafen von Wertheim, Verwandte der Bickenbacher, und die Abtei von Fulda meldeten Ansprüche an. Während dieser Regierungskrise gab es um 1350 – 1352 einen gewaltigen Rückschlag in der Entwicklung unseres Dorfes. Die schwarze Pest breitete sich aus. Diese erste bekannte, große Pestwelle dezimierte die Gesamtbevölkerung, und es dauerte Jahrzehnte, bis die alten Einwohnerzahlen wieder erreicht waren. Es ging langsam wieder aufwärts. In den Städten schlossen sich die Handwerker zu Zünften zusammen. Als 1397 der Pfalzgraf Ruprecht den Schenken von Erbach mit Spachbrücken belehnte, beschlossen die Spachbrücker, eine Kirche zu bauen. Wir wissen (noch) nichts über diesen Bau, da es (noch) keine Unterlagen darüber gibt. Es war eine Maria geweihte gotische Kirche mit einem Antoniusaltar.

Aus dem Jahre 1429 gibt es eine Urkunde, die belegt, dass Spachbrücken Anteile am Genossenschaftswald Dieburger Mark hatte. Die 15 Markdörfer, das waren die Orte Dieburg, Holzhausen, Monfeld, Altenstadt (heute zu Dieburg gehörend), Werlachen (untergegangene Siedlung bei Münster), Altheim, Münster, Groß Zimmern, Klein Zimmern, Spachbrücken, Georgenhausen, Zeilhard, Dilshofen, Roßdorf und Gundernhausen, stellten 21 Märkerschöffen, 2 davon alleine aus Spachbrücken. Jeder Märker, nicht mitgezählt waren Juden und Beisassen, hatte das Recht, im Wald kostenlos Brennholz, Bauholz und Laub abzufahren. Auch Eichelmastplätze und Tongruben durften genutzt werden. Der Eichelförster und der Baubeseher sorgten für die gerechte Verteilung.

 

Spachbrücken nach der Reformation

1513 wurde in Frankfurt die erste Spachbrücker Glocke gegossen. Es ist dies die kleine Glocke, auch Marienglocke genannt, die heute noch vorhanden ist. Sie wird beim Vaterunser geläutet, sowie sonn- und feiertags als Erstgeläut verwendet. 1525 – 1526 wurde in Spachbrücken durch Graf Georg II. von Wertheim die Reformation eingeführt. Der Gottesdienst, der vorher von einem Pleban aus Dieburg gehalten wurde, wurde jetzt von einem evangelischen Pfarrer aus Roßdorf gehalten, nachdem vorher ein Pfarrer aus Umstadt, eigens von Philipp dem Großmütigen eingesetzt, in Spachbrücken gepredigt hatte. Spachbrücken gehörte bis zum Jahre 1585 kirchlich zu Roßdorf. Noch heute hat die evangelische Kirchengemeinde Roßdorf Grundbesitz in Spachbrücken.

Für 9000 Gulden verkauften die Erbacher 1528 ihren Besitz in Spachbrücken an die Grafen von Wertheim. Am 26. April 1561 kam es zu einem Vergleich zwischen Spachbrücken und Gundernhausen. Ein jahrelanger Streit wurde beigelegt. Nach schwierigen Verhandlungen wurde den Spachbrückern wieder gestattet, ihre Schweine zur Eckern- und Eichelmast über die Gundernhäuser Gemarkung in die Dieburger Mark zu treiben.

1585 wird Spachbrücken selbständige Pfarrei mit Habitzheim als Filialort. Das erste Pfarrhaus stand schon. Wann es erbaut wurde, ist nicht bekannt. Wir wissen nur, dass es oberhalb der Kirche stand („hoch in Wind und Wetter“, wie der Chronist schrieb). Ab 1610 wurde unter Pfarrer Johann Erhard, er war der 3. Pfarrer am Ort, das erste Kirchenbuch geführt. Alle Taufen, Hochzeiten und Beerdigungen (auch was sonst noch Denkwürdiges geschah), wurden schriftlich festgehalten. Dieser Pfarrer Erhard beging 1618 Selbstmord, als der Halley’sche Komet erschien und die Menschen in Angst und Schrecken versetzte.

 

Spachbrücken im 30-jährigen Krieg

In diesem Jahr brach dann der 30-jährige Krieg aus. Ab 1619 sind Kirchenrechnungen erhalten. Anhand dieser Rechnungen ersehen wir, dass 1625 das alte Pfarrhaus so baufällig war, dass es abgerissen werden musste. Vorher wurde 1620 noch einmal ein neuer, höherer Schornstein gemauert, dafür wurden 2 Gulden ausgegeben. Im Jahr 1628 wurde an gleicher Stelle ein Neubau errichtet. Die Kosten beliefen sich auf etwa 32 Gulden, wovon 15 Gulden vom Superintendenten beigesteuert wurden. Außerdem wurde für 1 ½ Gulden ein neuer „Daubenbie“ (Taubenschlag) errichtet, sowie Dächer der Wirtschaftsgebäude neu mit Stroh gedeckt. Die dafür benötigten Gelder erhielt man, indem auf der Pfarrwiese Dornhecken ausgehauen wurden und das danach angepflanzte Kraut verkauft wurde.

1625 – die Schrecken des 30jährigen Krieges waren jetzt auch in Spachbrücken zu spüren, schließen die Spachbrücker und die Reinheimer mit Landgraf Ludwig von Hessen einen Vertrag und verkaufen ihm ihre Anteile im Reinheimer Bruch (heute ReinheimerTeich). Die Spachbrücker erhielten 800 Gulden, eine Summe, die in der Notzeit des 30-jährigen Krieges sicher gut zu gebrauchen war. Da die Landgrafen einen Fischteich anlegten, fehlte es nun an Weideland.

Von 1628 – 1632 gab es in Spachbrücken die erste Schule. Poth Balthasar, ein Spachbrücker Bauer, der aus Reinheim stammte und dort die schon existierende Schule besucht hatte, also lesen und schreiben konnte, wurde kurzerhand als Lehrer bestimmt. 1629 brach in Spachbrücken – wie auch im übrigen Umland – die Pest aus. Es war die schlimmste Seuche, die jemals unsere Gegend heimgesucht hat. Außerdem folgten Jahre des Hungers, bedingt durch einige aufeinanderfolgende heiße, trockene Sommer.

1640 hatte Spachbrücken nur noch 12 Einwohner, 1643 noch 4 Einwohner und von 1644 – 1654 standen im Dorf alle Häuser leer. Als nach dem Westfälischen Frieden 1648 der 30jährige Krieg beendet war und auch die Pest abgeklungen war, war wieder Leben im Ort möglich. Einige wenige, die aus Spachbrücken der Pest und dem Krieg in andere Orte entronnen waren, kehrten zurück. Landes- und Territorialherren warben in anderen Landesteilen um Neusiedler.

 

Spachbrücken im 17. Jahrhundert

Schon 1656 stiftete Herr Michael Breidenbach aus Groß Zimmern der evangelischen Kirchengemeinde Spachbrücken einen vergoldeten Abendmahlkelch. Es ist dies der noch heute benutzte kleine Kelch.

Am 20. März 1675, so schreibt eine erhaltene Urkunde, verpflichtete die verwitwete Anne Maria von Wertheim-Löwenstein den Zimmermann und Müller Jakob Jäger mit dem Aufbau der in Spachbrücken seit alters her gewesenen Mühle. Diese Mühle wurde an die Stelle der alten Bannmühle (Mühlstraße) gebaut. Erb- und Mühlenzins waren nach Habitzheim abzuführen.

Pfarrer Hach legte 1675 eine Einwohnerliste an. 114 Seelen wurden verzeichnet. Im Jahr darauf (1676) stiftete die Witwe des Leonhard Mayer der Kirchengemeinde eine Taufschüssel aus Messing, die aber schon um 1500 gegossen worden sein soll. Auch sie wird heute noch benutzt. Pfarrer Hach machte sich wegen seines Einsatzes gegen das Fluchen, übermäßige Trinken und Kartenspielen im Dorf unbeliebt. Deshalb verboten die Spachbrücker dem Küster, das Holz des Pfarrers zu hacken, was sicher nur eine kleine Bosheit war gegenüber der Tatsache, dass im Jahre vorher der Spachbrücker Pfarrer Müller wegen sittlicher und finanzieller Verfehlungen bei Groß-Umstadt mit der Schäferschippe erschlagen worden war.

Von 1685 bis 1756, also 71 Jahre lang, waren Vater und Sohn Zöller Pfarrer in Spachbrücken. Von 1693 bis zum Jahre 1723, also 30 Jahre, war Johannes Göckel der Schultheiß im Ort. Diese langen Dienstzeiten beweisen die Beliebtheit der Amtsinhaber und boten die Gewähr für eine ständige Aufwärtsentwicklung. So hatte Spachbrücken im Jahre 1700 wieder 200 Einwohner.

 

Spachbrücken braucht eine neue Kirche

Wie die alten Kirchenrechnungen zeigen, war 1722 eine größere Reparatur an der Kirche fällig geworden und für 18 Gulden ein neuer Taufstein, der heute noch in der Kirche steht, angeschafft worden. Von 1718 bis 1731 mussten die evangelischen Lutheraner von Groß Zimmern nach Spachbrücken zur Kirche gehen. In Groß Zimmern gab es zwar eine große lutherische Gemeinde, aber nur einen reformierten Pfarrer, der nur eine kleine Gemeinde hatte.

Bereits 1724 war die Kirche, trotz vorheriger Reparatur, wieder in schlechtem Zustand und man wandte sich an die Löwensteiner Regierung in Wertheim mit der Bitte um Abriss und Neubau. Diese lehnten aber ab. Erst 25 Jahre später, als am 26. Mai des Jahres 1749 (der „Verheißene Tag“) der Blitz in den Kirchturm einschlug (…) und die Spachbrücker beim Ausmaß des Brandes etwas nachgeholfen haben, wurde ein Neubau erforderlich. 1751 wurde die alte Kirche abgebrochen und mit dem Neubau begonnen. Vier Jahre später, am 6. Juli 1755, konnte der Neubau, die heutige Kirche, eingeweiht werden. Die Orgel wurde 1760 eingebaut. Als danach der Wunsch nach einer zweiten Glocke laut wurde, ließ der damalige Pfarrer Lips einige Kirchengrundstücke, die beweidet wurden, umpflügen und die darauf erzeugten Früchte verkaufen, um den Grundstock für einen Glockenfond zu erhalten. 1769 war es dann soweit, die bestellte Glocke kam und wurde feierlich aufgehängt. So ging die Zeit ins Land.

Auf den spanischen Erbfolgekrieg kam der polnische Erbfolgekrieg. Kaum war dieser beendet, kam der österreichische Erbfolgekrieg. Immer hatten auch die Spachbrücker darunter zu leiden. Häufig gab es Truppendurchzüge oder Einquartierungen. Fuhr- und Spanndienste mussten geleistet werden. Futter für die Pferde und Lebensmittel für die Soldaten wurden oft zwangsweise und ohne Bezahlung mitgenommen. Dann kam der 7jährige Krieg. Auch darunter hat unsere Gemeinde sehr gelitten. Nach der Französischen Revolution begannen die sogenannten Koalitionskriege, die bis 1816 dauerten.

 

Spachbrücken im 19. Jahrhundert

In Frankreich war Napoleon an die Macht gekommen, Landgraf Ludwig X. dank Napoleon jetzt Großherzog Ludwig I, wurde gezwungen, dem Rheinbund beizutreten. Den Feldzug, den Napoleon 1812 begann und nach Russland führte, mussten einige Spachbrücker mitmachen. Wir wissen heute nicht mehr wer und wie viele. Wir wissen nur, dass 7 Spachbrücker, die namentlich bekannt sind, nicht mehr zurückkehrten (1813 in der Völkerschlacht bei Leipzig ist auch ein Spachbrücker gefallen).

1800 hatte Spachbrücken bereits 600 Einwohner. Im Jahr 1806 schaffte die Kirchengemeinde einen neuen Abendmahlskelch an. Er ist heute ebenfalls noch in Gebrauch. Ab 1816 kam es auch in Spachbrücken zu einer Auswanderungswelle, die um 1850 ihren Höhepunkt erreichte. Es gab keine Möglichkeit, Arbeit zu finden. Hungersnöte kamen noch hinzu. Die Kartoffeln, die im 18. Jahrhundert hier eingeführt wurden, bekamen Krankheiten, die Erträge gingen zurück, so dass Auswanderung ins gelobte Land – Nordamerika – mit Freiheit, Arbeit und Brot eine Möglichkeit zum besseren Leben bot.

1841, Spachbrücken hatte jetzt über 800 Einwohner. Der Friedhof rund um die Kirche war überbelegt und zu klein geworden. Daher wurde ein neuer Friedhof angelegt, das erste Leichenhaus 1842 gebaut. 1844 ließ der Großherzog die Straße von Darmstadt nach Dieburg bauen. Da die Straße zum Teil durch Spachbrücker Wald führte, die Dieburger Mark war in den Jahren 1811 bis 1816 aufgeteilt worden, sollten die Spachbrücker, die keinerlei Nutzen an dieser Straße hatten, einen großen Betrag der Baukosten übernehmen. Die Dieburger, die einen noch höheren Anteil bezahlen sollten, legten mit den Spachbrückern Beschwerde ein. Diese Beschwerde hatte Erfolg, alle ehemaligen Markgemeinden mussten nun die Straße bezahlen.

1860, Spachbrücken war in den letzten 50 Jahren kaum gewachsen, 800 Einwohner lebten in 130 Häusern. Wie sah es in diesen Häusern zu Beginn des 19. Jahrhunderts wohl aus? Das wichtigste Möbelstück des bäuerlichen Hauses war die Truhe. Da die nächste Generation eine neue mitbrachte, degenerierte die alte zuerst zur Mehl- oder Futterkiste, bis sie schließlich Hundehütte wurde. Schränke waren bei einfachen Leuten noch nicht in Gebrauch. Das Bett, als zweischläfriges Ehebett benützt, hatte meist einen Himmel (Baldachin). Anrecht auf ein Bett hatten nur Eheleute, Alte oder Kranke. Kinder schliefen in Kästen, in der Milchbank, in der Kommodenschublade, in der Wiege oder bei den Eltern. Mägde schliefen in Kammern oder Verschlägen, Knechte im Stall. Der Strohsack war die Unterlage, in schlechten Zeiten der Laubsack. Zum Essen saß man am großen Tisch auf lehnenlosen Bänken. Man aß mit der Hand oder mit dem Holzlöffel, Messer und Gabel waren noch nicht in Gebrauch. Irdene Teller und Tassen, die im eigenen Ort hergestellt wurden, standen auf dem Tisch. Zinngeschirr war teurer und seltener und wurde höchstens an Feiertagen benützt. Auf den Tisch kam weiterhin Brei und jetzt vermehrt Kartoffeln. Fleisch war knapp und teuer.

1866, im sogenannten Deutschen Krieg, mussten die Spachbrücker ebenfalls wieder Spanndienste leisten. Im Deutsch-Französischen Krieg 1870 – 1871 fahren Spachbrücker Bauern mit ihren Fuhrwerken bis nach Frankreich. Zwei Gefallene waren zu beklagen.

Nachdem 1856 ein zweiter Lehrer nach Spachbrücken kam, die Gemeinde zwei Gastwirtschaften als Schullokale angemietet hatte, wurde dann 1875 die neue Schule gebaut und eingeweiht.

 

Die Moderne zieht in Spachbrücken ein

Am 15. Mai 1871 wurde die Eisenbahnstrecke Darmstadt – Reinheim erstmals befahren. Ganz Spachbrücken war auf den Beinen, als der erste Zug durch den westlichen Teil der Gemarkung fuhr. Als dann am 1. Oktober 1896 der erste Zug von Offenbach, durch den östlichen Teil der Gemarkung nach Reinheim fuhr und Spachbrücken sogar eine Haltestelle bekam, da hatte man endlich Anschluss an die große weite Welt.

1905, die Einwohnerzahl war auf 900 gewachsen, brannte in Spachbrücken das erste elektrische Licht. Der Strom wurde in der ehemaligen Brauerei Göckel erzeugt. Ein Jahr vorher (1904) war das Leichenhaus erweitert worden, nachdem im Jahre 1890 der Friedhof um das Gelände, links vom Haupteingang, vergrößert worden war.

Nachdem jahrhundertelang das Wasser aus den verschiedenen Brunnen im Ort geholt wurde, noch 1901 wurde in der Dieburger Straße ein Brunnen gegraben, wurde 1908 – 1909 eine Wasserleitung in Spachbrücken gebaut und in Betrieb genommen. Dann kam das Jahr 1914. Etwa 1000 Spachbrücker wohnten in 180 Häusern, als der Weltkrieg ausbrach. Zunächst zog man freudig in diesen Krieg. Man beeilte sich dabei zu sein, glaubte man doch, in 4 Wochen wieder zu Hause zu sein. Aber es kam anders. Nach 4 Jahren war der Krieg aus – und verloren. 27 Kriegstote waren zu beklagen. Der deutsche Kaiser musste abdanken und floh nach Holland. Auch der Großherzog in Darmstadt, zwar allseits beliebt, trat zurück, Es folgten nun schwere Nachkriegsjahre, denen Inflation und Arbeitslosigkeit folgten. Auch in Spachbrücken spürte man die Folgen.

Der Ort entwickelte sich langsam zur Arbeiterwohnsitzgemeinde. Die Lohnabhängigen, die nur ihre Arbeitskraft einsetzen konnten, waren wie überall im Lande die Leidtragenden. Aber die angenehmen Seiten der 20er Jahre, mit ihren Freizügigkeiten in der neuen Republik, ärgerten die Obrigkeit und Geistlichkeit. Der Ortsgeistliche beklagte die Sittenlosigkeit der Dorfjugend.

Den älteren Spachbrückern wird noch in Erinnerung sein, dass ein starker Wolkenbruch am 14. Juli 1932 große Teile Spachbrückens unter Wasser setzte. Das Wasser drang im alten Ortskern teilweise durch die Fenster im Erdgeschoss in die Wohnungen ein.

 

Spachbrücken und die Nazi-Zeit

Dann kam das Jahr 1933. Mit Notverordnungen und Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen hatte die Weimarer Republik vergebens versucht, die Lage zu stabilisieren. Mehrere Reichstagswahlen mit vielen Parteien und Gruppierungen konnten ebenfalls nicht verhindern, dass die Nationalsozialisten an die Macht kamen. Auch viele Spachbrücker glaubten „an den von Gott gesandten Retter Deutschlands“, wie ein Zeitgenosse schrieb. Aber es sollte anders kommen. Vordergründig sah es aus, als ob alles besser werden würde. Die Zahl der Arbeitslosen ging zurück. Dass die Ankurbelung der Industrie, der Straßenbau und die Förderung der Landwirtschaft letztlich Kriegsvorbereitungen waren, wollten viele nicht sehen. Spachbrücken machte die allgemeine Entwicklung mit. Man bekannte sich nicht mehr offen zur Kirche. Es kam zu Auseinandersetzungen zwischen Deutschen Christen und der Bekennenden Kirche. Obwohl etwa 80 Spachbrücker aus der Kirche ausgetreten waren, wurde 1938 die Pfarrscheune zum Gemeindehaus umgebaut.

Am 1. September 1939 begann der zweite Weltkrieg. Die Begeisterung war diesmal nicht so groß. Auch die Anfangserfolge der deutschen Wehrmacht, die Sondermeldungen, die durch die Volksempfänger in viele Wohnzimmer gesendet wurden, konnten die Stimmung nicht nachhaltig heben. Als Bombenangriffe benachbarte Städte zerstört hatten, Spachbrücken über 80 Gefallene und Vermisste zu beklagen hatte, waren alle froh, als am 25. März 1945 die Amerikaner einmarschierten und der sinnlose Krieg beendet war.

 

Die Nachkriegszeit

Schwierig war die Nachkriegszeit. Dinge des täglichen Bedarfs waren knapp, noch knapper waren die Lebensmittel. Aber die Spachbrücker meisterten auch diese schlechten Zeiten. Die Alteingesessenen hatten meist einen Garten oder einen Acker. Die Ausgebombten, Heimatvertriebenen und Flüchtlinge wurden schnell integriert. Als dann am 20. Juni 1948 eine Währungsreform kam, die Leute sowieso hart und fleißig arbeiteten, kam wieder bescheidener Wohlstand. Auf dem Hügel (Krawallbuckel, heute Höhenweg) wurde ein Baugebiet ausgewiesen und in Selbsthilfe wurden viele Häuser gebaut.

Nachdem fast 200 Jahre lang der Blasebalg der Kirchenorgel buchstäblich mit den Füßen getreten worden war, erhielt die Kirchengemeinde 1953 für die Orgel ein elektrisches Gebläse. Ebenfalls 200 Jahre lang wurden die Glocken per Handseil geläutet. Seit 1957 erledigt diese Arbeit ein elektrisches Geläut. 1964 konnte dann eine 3. Glocke angeschafft werden. Beim Guss dieser Glocke in Sinn waren einige Spachbrücker Frauen mit ihrer Frauenhilfe dabei.

Nach langen Verhandlungen wurde 1969 ein Vertrag zwischen der politischen Gemeinde auf der einen Seite und der evangelischen Kirchengemeinde und der Kirchenverwaltung auf der anderen Seite über die Ablösung der Baulastpflicht abgeschlossen. Nach einmaliger Zahlung von DM 100.000,- war die bürgerliche Gemeinde Spachbrücken von ihrer Baupflicht befreit. Im Jahr vorher wurde ein Teilstück (17 ha) des Spachbrücker Waldes an die Bundesrepublik verkauft, die dort einen Schießplatz angelegt hat. 1968 – 1970 wurde dann der restliche Wald (etwa 250 ha) an das Land Hessen verkauft.

Nachdem 1966 in Reinheim die Mittelpunktschule in Betrieb genommen wurde, gehen auch Spachbrücker Kinder nach dem 4. Schuljahr dorthin zum Unterricht. 1969 ging die Schulträgerschaft von den Gemeinden auf die Landkreise über. In diese Zeit fällt auch der Beschluss der Gemeindevertretung, ein Bürgerhaus oder eine Mehrzweckhalle zu bauen. Ebenso wurden um 1970 verschiedene Vereinsheime und Sportanlagen gebaut, 1971 ein Kindergarten errichtet.

 

Spachbrücken wird Stadtteil Reinheims

Viel Wirbel gab es um die Zusammenlegung der Gemeinden Ueberau, Zeilhard, Georgenhausen und Spachbrücken mit der Stadt Reinheim. Dem freiwilligen Zusammenschluss zum 1. Januar 1972 widersetzte sich nur die Gemeinde Georgenhausen. Aber auch in den anderen Gemeinden waren die Abstimmungsergebnisse keineswegs einstimmig. In Spachbrücken etwa war das Ergebnis mit 8 Ja- und 5 Nein-Stimmen für den Zusammenschluss. Damit hatte die Gemeinde ihre Selbständigkeit aufgegeben. Ein direkt gewählter Ortsbeirat vertritt beratend und eingeschränkt die Interessen der alten Gemeinde gegenüber der Stadt. So ist die Kirchengemeinde eigentlich jetzt (1998) die letzte selbstständige Institution in Spachbrücken. Man kann sagen „ Wir haben die Kirche im Dorf gelassen“.

Am Erntedankfest 1971 wurde Pfarrer Bartels, unser jetziger (1998) Pfarrer, in einem feierlichen Gottesdienst, der aber im Saal des Gasthauses „ Zum Grünen Baum“ stattfinden musste (die Kirche wurde gerade renoviert), in sein Amt in Spachbrücken eingeführt. Bei dieser Kirchenrenovierung musste auch die Orgel ausgebaut werden und wurde in einer alten Scheune gelagert. Wegen großer Bedenken und Warnungen eines Nachbarn, die Scheune sei baufällig, lagerte man sie dort wieder aus, keineswegs zu früh, denn einige Tage danach stürzte die baufällige Scheune in sich zusammen.

Als die Kirche wieder in Betrieb genommen war, konnte auch noch ein Cembalo angeschafft werden. Dieses wurde am 8. April 1973 eingeweiht. Ein Konzert unseres Organisten, Albrecht Schradin, begeisterte ein fachkundiges Publikum. Dieses Konzert war der Auftakt zu einer nun 25-jährigen Folge der Spachbrücker Abendmusiken, die 250. Veranstaltung fand vor kurzem statt und erfreut sich wachsender Beliebtheit.

1973, am 17. Mai, konnten die nun nicht mehr selbständigen Spachbrücker, die sich nur mühsam daran gewöhnen konnten, jetzt Reinheimer zu sein, ihre 650-Jahrfeier begehen. Die neugebaute Mehrzweckhalle wurde in Anwesenheit vieler Prominenter eingeweiht. Auch die Verbandskläranlage, an die Spachbrücken angeschlossen ist, wurde 1973 in Betrieb genommen. 1978 wurde das neue evangelische Gemeindehaus eingeweiht, nachdem der 1938 errichtete Bau unmodern und zu klein geworden war. 1980 wurde an der Habitzheimer Straße ein Kinderspielplatz gebaut. 1985, nach erfolgter Außenrenovierung des Pfarrhauses, konnte die Evangelisch-Lutherische Kirchengemeinde ihr 400-jähriges Bestehen feiern. 33 Pfarrer, die in dieser Zeit in Spachbrücken wirkten, wurden schriftlich vorgestellt. Das Kirchweihfest, das in den letzten Jahren immer schlechter besucht wurde, bekam wieder neuen Schwung, da auf Initiative des Kirchenvorstandes die alte Tradition, die Kerb im Dorf zu feiern, wieder auflebte.

Abschließend kann man sagen: Das Vereinsleben floriert noch sehr gut, obwohl auch hier, wie allgemein, schon Schwierigkeiten auftreten, wenn Vorstandswahlen anstehen oder Mitglieder zum Arbeitseinsatz eingeteilt werden sollen.

 

Ausblick auf die nächsten 25 Jahre

Der rasante Fortschritt, der auch in Spachbrücken zu sehen ist, geht weiter. Während in Spachbrücken vor 40 Jahren noch etwa 60 Milchanlieferer waren, ist heute keine Milchkuh mehr im Ort. Es gab vor 30 Jahren noch 20 Zuckerrübenanbauer, heute noch 4. Es gab in Spachbrücken vor 50 Jahren 5 Autos, heute etwa 1000. Wenn ich anfangs von einer landbautechnischen Revolution zu Beginn des 14. Jahrhunderts sprach, kann man die industrielle und landwirtschaftliche Entwicklung der letzten 5 Jahrzehnte nur staunend zur Kenntnis nehmen. Was das elektronische, genetische, computerisierte Zeitalter bringen wird, kann man kaum ahnen.

Wir hoffen weiterhin auf Gottes Hilfe und erwarten, dass die Verantwortlichen in Politik und Wirtschaft die richtigen Entscheidungen treffen, zum Wohle aller. Fleiß und Ausdauer, aber auch die nötige Bescheidenheit wollen wir mitbringen. Aus dem Alten, Vergangenen müssen wir lernen, auch Fehler eingestehen. Nur so werden wir auch die Zukunft meistern.

Euer Fritsche Karl

Ach, noch was, ich hoffe die Erzählung hat Euch etwas die Historie unseres Ortes nähergebracht. Natürlich erhebt das Erzählte keinen Anspruch auf Vollständigkeit, dafür haben wir ein Heimatbuch und sonstige Aufzeichnungen.