Früherer Hochbehälter: Trinkwasser für Spachbrücken

Die Spachbrücker Trinkwasserversorgung

Die ersten Anlagen mit fließendem Wasser und Toiletten sind uns aus der Römerzeit bekannt. So gab es zum Beispiel auf der römischen Villa Haselburg bei Hummetroth (Gemeinde Höchst) schon ein Badehaus. Da es auf Spachbrücker Gemarkung diesbezügliche römische Funde gab könnte es schon damals Badeanlagen mit Wasserversorgung und Abwasserableitung gegeben haben. Während des Mittelalters war dann die Hygienekultur wohl nicht mehr so ausgeprägt, so dass es oft zu Seuchenausbrüchen wie der Pest oder Cholera, kam. Ab dem 18. Jahrhundert hatte man erkannt, dass sauberes Trinkwasser und die Ableitung des Abwassers für die Gesundheit des Menschen unabdingbar sind.

 

Vom Brunnenwasser zum „Kroanewasser“

Die Trinkwasserversorgung in Spachbrücken erfolgte bis Anfang des 19. Jahrhunderts ausschließlich über handgeschachtete Brunnen. Im Zuge der Sanierung der Erbacher- und Friedhofstraße wurden zwei alte Brunnen wieder entdeckt. Die Brunnen hatten den Nachteil, dass jeder sein Wasser selbst mit Hand schöpfen und nach Hause tragen musste. Es bestand bei den Brunnen aufgrund ihrer Lage mitten im Ort und ihrer geringen Tiefe immer die Gefahr von Verunreinigungen des Trinkwassers wie z.B. mit Coli-Bakterien. Das Trinken des verunreinigten Wassers führte zu schweren Krankheiten, welche durchaus sogar zum Tod führen konnten.

Abhilfe schaffte dann Anfang des 19. Jahrhunderts der Bau einer zentralen Trinkwasserversorgung für Spachbrücken. Im oberen Dilsbachtal wurden im Bereich der Dörnbach-Quellen Wasser gefasst. Das Trinkwasser wurde über eine Leitung in freiem Gefälle in den damals neu errichteten Hochbehälter (am Kreisel zum Baugebiet Nord-West Reinheim) geleitet. Ein Hochbehälter dient dem Zweck, Trinkwasser für eine längere Zeit zu speichern, Druck in der Leitung für den Wasserhahn (das „Kroanewasser“) zu bekommen und eine Löschreserve bei Brandfällen im Ort zu sichern. Da die Quellen an der Dörnbach nicht sehr ergiebig waren entschloss man sich in den 60er Jahren einen Tiefbrunnen zu bauen und das Trinkwasser im Uferbereich des Dilsbachs mittels einer Pumpstation (zwischen Kuckuckshütte und Tennisplätzen) zum Hochbehälter zu pumpen. Der Hochbehälter wurde um eine weitere Kammer erweitert.

Hochbehälter Spachbrücken
Lage der Quellen von Spachbrücken, bis Mitte 70er Jahre
Alter Hochbehälter
Alter Hochbehälter, bis ca. 1974 in Betrieb
Hochbehälter der Stadt Reinheim
Hochbehälter der Stadt Reinheim
Brunnenhaus
Früheres Brunnenhaus

Die eigene Wasserversorgung von Spachbrücken über deren Quellen und den Brunnen war aber längerfristig nicht gesichert. Die Quellen und der Brunnen waren in ihrer Ergiebigkeit begrenzt und konnten auf Grund des Wachstums der Einwohnerschaft auf Dauer die Versorgung mit Trinkwasser nicht mehr sicherstellen. Mit der Kommunalreform im Jahr 1972 wurden die Orte Spachbrücken, Zeilhard, Georgenhausen und Ueberau der Stadt Reinheim zugeschlagen. Es wurde das Ziel verfolgt, für das gesamte Stadtgebiet eine gesicherte Trinkwasserversorgung auszubauen. Im Zuge des Ausbaues wurden Quellen, Brunnen und Hochbehälter der Spachbrücker Wasserversorgung von der öffentlichen Wasserversorgung abgehängt. Die Wasserversorgung erfolgt nunmehr über die Tiefbrunnen in den Seewiesen zwischen Reinheim und Ueberau. Das geförderte Trinkwasser durchläuft eine Entkalkungsanlage und wird zum Hochbehälter in der Dörnbach gepumpt, von wo aus das Trinkwassernetz der Stadt Reinheim und ihrer Stadtteile gespeist wird (Reinheimer Stadtwerke).

Eine weitere wichtige Maßnahme zur Trinkwasserversorgung in Spachbrücken war der Bau einer zweiten Einspeiseleitung in das örtliche Wassernetz. Durch den Bau einer neuen Trinkwasserleitung im Jahr 1999 von Reinheim kommend (Bereich Aldi-Markt) nach Spachbrücken (Bereich obere Kantstraße) ist die Gefahr eines totalen Ausfalles der Wasserversorgung nicht mehr gegeben.

Es ist zwar bedauerlich, dass wir nicht mehr unser Trinkwasser aus dem Dilsbachtal haben. Da aber das Trinkwasser als Lebensmittel zählt werden sehr hohe Anforderungen an seine Reinheit gestellt. Hierzu zählen niedrige Nitratgehalte und keine Pestizidbelastungen, was nur über ausreichend tief gegründete Brunnen wie in den Seewiesen zu erreichen ist. Unser Reinheimer Wasser können wir daher auch zukünftig unbedenklich immer aus dem „Wasserkroane“ trinken. …

Auszug aus der Festschrift 2023, Autor: Günter Göckel

 

Ergänzung: Der Hochbehälter und der „Kalte Krieg“

Vor dem Hintergrund des „Kalten Krieges“ befürchtete man einen atomaren Angriff durch die hochgerüsteten Staaten des Warschauer Pakts. Ende der 1960er Jahre wurden im Bundesamt für Zivilschutz Pläne entwickelt, wie im Falle einer Kontamination durch radioaktive Strahlung möglichst schnell Messdaten gesammelt werden könnten. Zu dieser Zeit existierten in der Bundesrepublik zehn sogenannte „Warnämter“. Im Verteidigungsfall waren diese für die Warnung der Zivilbevölkerung bei Gefahren zuständig.

Jedes Warnamt musste Messstellen anlegen, an denen mit einem „Geiger-Zähler“ eine radioaktive Belastung, die „Ortsdosisleistung“, festgestellt werden konnte. Dazu musste ein meist ehrenamtlicher, besonders ausgebildeter Mitarbeiter des Zivilschutzes vor Ort sein, um die Messwerte am Gerät abzulesen und sie telefonisch an das zuständige Warnamt weiterzuleiten. Durch seine besondere Höhenlage wurde das leerstehende Spachbrücker „Wasserreservoir“ für eine Verwendung als „Warndienstleitmessstelle“ untersucht. Es kam aber nie zum Einbau der Technik, die Entspannungspolitik der 80er Jahre führte dazu, dass in Deutschland der Zivilschutz kaum noch weiterentwickelt wurde. In vielen Orten wurden sogar die Zivilschutzeinrichtungen abgebaut, Zivilschutzbunker umgenutzt, Zivilschutzanlagen in Tiefgaragen und Gebäude umgewidmet. Im Jahr 1984 waren insgesamt circa 1.200 Messstellen in Betrieb. Bei einer Abfragezeit von jeweils circa zwei Minuten pro Messstelle konnte eine Gesamtabfrage pro Warnamt sieben bis acht Stunden dauern. Beim Reaktorunglück von Tschernobyl am 26.04.1986 zeigte sich die Technik als nicht effizient. Das Messnetz wurde zum 1. Juli 1997 vom Bundesamt für Strahlenschutz übernommen!